B.B. – Admirals Cup 1971

Die teuerste Schlacht der Segler

Erinnerungen an den Admirals Cup 1971

Bordbuch

Es war ein ganz normaler Clubnachmittag. Ich saß im HSC im Hamburger Segel-Club auf der Gurlitt-Insel an der Außenalster. Der Präsident des HSC und Eigner der „Rubin III“ drüben allein an der Bar. Da wurde erzählt, die „Rubin“ solle nach England zum Admirals Cup, der aufwendigsten Materialschlacht der Segel-Chronik, überführt werden; der Eigner sei gerade dabei, eine Mannschaft (die bei ihm stets aus Clubmitgliedern bestand) zusammenzustellen.
Beiläufig fragte ich, ob ich mich da nicht bewerben könnte. Nachgedacht hatte ich da noch nicht, worauf ich mich
da wohl einließ. Hatte auch nicht mit einer Zusage gerechnet. Null Erfahrung im Hochseesegeln, Seeregatten schon gar nicht. Es war wohl mehr Folge einer inneren Eingebung; dumme Frage eben beim Bier. Es folgte eine kurze Anfrage, und schon wurde ich zu ihm an die Clubbar gebeten. Da ich aber erst seit kurzem Clubmitglied im HSC war kannte mich niemand, unser Clubpräsident mich auch nicht, klar, woher auch. Wir kamen ins Gespräch. Ich wurde nach meinen seglerischen Erfahrungen befragt. Als ich aber neben etlicher Kieler Wochen mit meinem Finn und Drachen als eigentlicher Wannsee-Segler auch noch meine seemännische Berufsausbildung auf der Hamburger
Seemannsschule anbringen konnte, hier hatte ich das klassische Handwerk eines Seemanns von der Pike auf erlernt, besaß das zugehörige Seefahrtsbuch und Qualifikationen vom Norddeutschen Lloyd (durfte ein Rettungsboot kommandieren), hatte auf einem winzigen Frachter als Decksjunge im stürmischen Nordatlantik bis rauf zum Polarkreis auch oft am Ruder gestanden, bekam ich noch an der Bar die Zusage! Von einem Moment zum anderen gehörte ich zum erweiterten Kreis der Rubin-Segler, und sollte es vier Jahre lang bleiben. Ein Turn nach England mit der damals erfolgreichsten deutschen und internationalen Rennyacht! Ich konnte es nicht glauben, aber mulmig
war mir doch zumute – hatte das Schiff noch nie gesehen – worauf hatte ich mich da wohl eingelassen!
Wenig später ging es schon los. Seit einigen Tagen schon wehte es mit bis zu 10 Beaufort über der Deutschen Bucht, Hamburg eingeschlossen. Gebe zu: Reine Vorfreude kam nicht gerade auf, als ich mit meinem Seesack im Bus nach Wedel saß. Ich sollte es noch lernen: Hochsee-Rennyachten kennen kein Wetter!

Die gewaltige Yacht lag in Wedel an der Pier und wurde gerade verproviantiert. Auch meine Zigarettenmarke hatte man an Bord genommen. Mit ablaufender Tide sollte es noch am selben Abend nach Brunsbüttel gehen. Drei Segler waren wir und der festangestellte Bootsmann für diesen England-Turn, auf dieser Yacht von 16 m Länge mit 17 tons und 2,40 m Tiefgang, der berühmten „Rubin III“, insgesamt also nur vier Decksleute. Von einem untaugliche Smut abgesehen, kielholen hätte man ihn sollen. Die normale Rennbesatzung belief sich auf neun Mannschaftsmitglieder für diese Yacht!

Im Westen stand eine bedrohliche Wolkenwand. Genau da mussten wir hinein. Dennoch: Ablaufend Wasser; also schneller Abschied von Freunden und Angehörigen auf dem windigen Steg; Ölzeug an, dann Leinen los! Segel auf, Dödel aus, Schoten dicht und hinein in die graue Gischt des bewegt ablaufenden Elbstroms. Für mich, auch später, immer der schönste Moment: Maschine aus! nur noch rauschend Wind und Wasser. Kurze, harte Kreuzschläge im engen Elbfahrwasser. Einhundert-Meter-Läufe sind nichts gegen die Bedienung der mächtigen Schotwinschen einer Rennyacht, um die Segel dicht zu nehmen. Als wir nach Stunden gegenan gekreuzt schließlich Brunsbüttel erreichten, war es finstere Nacht. Wir legten uns an die Pier, die nächste ablaufende Tide abwartend.

Selten habe ich eine solche bedrohliche, unheimliche, heulende Finsternis gesehen! Ganz wohl fühlte ich mich nicht, es war nur eins: gespenstisch! Raßmus fuhr schrill pfeifend und jaulend, aus einem verborgen Dunkel kommend durch Wanten und Stagen; die losen Fallen und Leinen peitschten klatschend gegen den hölzernen Mast. Wie mochte es wohl draußen aussehen! Nach einem kurzen Aufenthalt mit einer Stärkung im Deckshaus ging es mit nächstem ablaufend Wasser noch in der Nacht raus in die schwarzschäumende Deutsche Bucht. Sprühende, salzige
Gischt, nassglänzendes Ölzeug, unter Life-Belts und Rettungswesten, höchste Aufmerksamkeit!
Gespanntes Beobachten der Fahrwassertonnen und der auswandernden Positionslichter des regen Schiffsverkehrs im undurchdringlichen Dunkel. Ständiges Auf und Nieder im schäumenden Fahrwasser der Elbmündung hält uns wach. Ein Becher heißen Kaffees tut gut! Seeroutine an Bord wurde eingeführt. Ich bekam gleich die Hundewache, morgens um vier. So saß ich bald im trübe heraufziehenden Morgengrau, meiner ersten Wache, ganz allein am riesigen, lederbezogenen Steuerrad der Renn-Yacht „Rubin“ und kämpfte hoch am Wind liegend gegen die sich dunkelgün anlaufenden, sich aufsteilenden, schaumgekrönten, kurzen Nordseewellen. Anluven gegen die sich
auftürmenden, gläsernen Wellenberge; dann abfallend hinunter, immer wieder, anluven, abfallen. Hinauf, hinunter. Eisige Gischtschauer prasselten schauerartig mit jeder überkommenden See über Deck, Cockpit, und mir ins Gesicht. Kurshalten war Trumpf! Die Kompassnadel immer im Blick. Generalkurs! Der Bootsmann unten im Deckshaus am Kartentisch mit der Navigation beschäftigt. Die beiden anderen der Crew hatten Freiwache unter Deck, lagen in ihren Kojen; Wachordnung; Seeroutine war Reglement!

Die Yacht lag stark über und luvte in jeder Böe kräftig an. Das Leedeck rauschte beständig unter schäumender, grüner Gischt, Blauwassersegeln pur. Die Gefahr eines unfreiwilligen Überstaggehens in dieser groben See erschien mir fast unabwendbar, konnte das immer stärker werdende Anluven (in den Wind schießen) der Yacht in den Sturmböen nicht mehr meistern. Mein Ruf: „Bruno! Ich kann sie nicht mehr halten“, die Yacht luvte gegen den Seegang immer weiter stetig an, verwehte im Sturm. Aber mein Bootsmann öffnete nur das Schapp des Deckshauses und rief trocken, „mach mal“! Dann schloss sich die Klappe. Ich war allein! Von dem Moment an aber machte ich es! Später wurde ich immer ans Ruder gestellt, wenn es in schwierigen Situationen auf sauberes und konzentriertes Steuern ankam. Ein Schlüsselerlebnis!

Das Wetter besserte sich. Sonnenschein, ruhig bewegte See, Bordroutine, Schlagermusik aus dem Bordlautsprecher. Beste Stimmung, wenn die nicht wieder mal knisternd von Kanal 16 (Seefunk) gestört wurde. Traumsegeln in der Nordsee wie selten. Des nachts phosphoreszierende Burgwelle; mich wiegend in der gebändselten Genua liegend. Am Morgen aber gefährlicher Seenebel im englischen Kanal. Hämmernde, polternd stampfende Maschinen-geräusche unsichtbarer Querer und propellerlärmende Luftkissen-Hoovercrafts (ahnte nicht, dass ich einmal oben im Cockpit am Radar dieses Hoovercrafts, der „Princess Margret“, sitzen, und mit achtzig Sachen, von vier Flug- zeugturbinen getrieben, über den Kanal nach Boulogne schweben würde.) Wir konnten nur hoffen, dass unser Reflektor im Mast ein Signal auf den Radarschirmen dieser Schläfer mit ihren Autopiloten hinterließ.

Nach Passieren von Beachy-Head, dem berühmten Leuchtturm vor Dover, endlich Cowes, Isle of Wight! Kaiserwetter! Eine knappe Woche hatten wir ungefähr benötigt, mit Stopps in Scheveningen und einer sehr spannenden, nächtlichen Ansteuerung in Shoreham (Brighton). Vor der dringend ersehnten Dusche im dortigen Shorham-Sailing-Club wurde uns zunächst die ehrwürdige Clubgeschichte dieses Yought Clubs präsentiert. Die Crew aber hatte andere Bedürfnisse.
Dann, am nächsten Morgen, Cowes: Regattaspektakel total! In die weite Bucht von Portsmouth einzusegeln, unvergesslich! Siebzehn Nationen mit dem Besten und Teuersten was es auf dem Globus im internationalen Ragatta-Yachtsport gab. Rekordbeteiligung. Neben uns, Bord an Bord, Edward Heath mit seiner Morning Cloud (später Team-Gewinner des Admiral Cups). Australien mit der legendären „Ragamuffin“. Dann, unvergessen, die blau-lackierte „Gitana V“ des Barons de Rothschild. So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Zwei weiße, riesige ziegen-lederbezogene Steuerräder in der Plicht (Cockpit). Dann die königliche Yacht „Britannia“ draußen in der Bucht
mit wehendem Union-Jack (her Majesty, oder Prinz Philipp der Yachtie on board) und der einsegelnde 12er, die blutrote „American Eagle“ der USA mit ihren Gorillas, die sich bergend in die niederrauchenden Segel warfen!

Dieses Bild durfte ich von der dreiundzwanzig Meter hohen Mastspitze unserer „Rubin III“ genießen, auf die man mich festklammernd, als den Leichtesten in der Crew, mal wieder gezogen hatte. Der Clubstander unseres HSC musste gegen den Rennstander getauscht werden! (Regel 1: Auf Rennyachten wird an nichts gespart, außer am Gewicht!). Dennoch: Wir waren wohl die einzige Rennyacht, die noch über ein Deckshaus und Eignerkajüte
und neun festen Kojen verfügte. Die beiden „Inshore-Races“, die sogenannten „Channel-Races“ der „Cowes-Week“, von Portsmouth rüber an die französische Küste nach Cherbourg und Le Havre segelte ich mit bei Bft. 7- 9. Für das berühmte „Fastnet-Race“, zum Fastnet Rock in der Irischen See vor Irland, ging die neunköpfige Stammcrew an Bord.

Die Zeiten von Rennyachten mit Eignerkajüte und metallenem Tafelbesteck aber waren endgültig vorbei. Das merkte man am Ergebnis: Team Deutschland: Platz 9 („Klaar Kimming“, „Ree“, Skipper und Eigner C. Redlefsen, den ich mal als kleiner frecher Berliner Junge vor seiner Fleischfabrik mal als Pflaume bezeichnet hatte, weil er meinen Fußball hinter sein Fabriktor geschossen hatte, „OT: „Nu kannste ihn wieder rausholen du alte Pflaume“. Das hatte dem noch niemand gesagt!), und „Rubin“. Von nun an wurde alles geändert. Das hatte der Eigner erkannt und uns seine Sparkman & Stephens Konstruktion, (der Eigner flog eigens in die USA, um sich mit dem Konstrukteur über die Heckausbildung zu beraten) den Halbtonner „Topas“ mit nach England gegeben, der vom zweimaligen Welt-meister Hannes Beilken gesegelt wurde.

Dies war der Prototyp der folgenden „Rubin IV“, die dann endlich im Team mit „Saudade“ und „Carina III (SV03, mein Heimatclub in Berlin)“ 1973 den begehrten Pokal gewinnen sollte. Es war eine Sensation! Und hier war Willy Kuhweide als Navigator auf der „Roten Sau“, mein ehemaliger Schulkamerad und Olympiasieger im Finn, dessen Boot ich besaß, wieder mit von der Partie. Die Deutschen, nun mit „Rubin“ an der Spitze der internationalen Hochsee-Segler! Edward Heath was not amused. No Gratulation…..

Diese berühmteste Trophäe, dieses Objekt der Begierde, Pokal der inoffiziellen Weltmeisterschaft im Hochsee-Regattasegeln, durfte ich im Clubhaus des Hamburger Segel Clubs (HSC) an der Alster auch mal in der Hand halten; verwundert darüber, dass sich dieses millionenschwere Ding so leicht anfühlte!

Die Gewinnerin des Cups 1971, die hölzerne Morning Cloud von Edward Heath, zerschellte 1974 während einer Überführung in einem gewaltigen Orkan, den ich von der Côte Granit Rose aus erlebte, in den Klippen der eng-lischen Südküste. „Heath was not on Bord“. Am 13. August 1979 sollte sich am Fastnet-Rock in der Irischen See, ein unerkanntes Sturmtief der Regattaflotte nähern. Im Kampf um diese Trophäe havarierten in den Monsterseen zahlreiche Yachten und wurden zum großen Teil aufgegeben. Fünfzehn Segler und vier Retter verloren in dieser stürmischen Nacht ihr Leben, einundsechzig Segler mussten von ihren Yachten von Hubschraubern und Schiffen abgeborgen werden! Ein Unglück ungekannten Ausmaßes!
„Rubin“ querte die Ziellinie vor Plymouth ohne Havarie an Mensch und Material. OT des Eigners: „Früher wäre noch was von oben gekommen“! 1983 und 1993 konnte „Rubin“ als Teamschiff den Erfolg von 1973 wiederholen.

„Seefahrt ist Not“
Burkhard Breslauer
SV03 Berlin, Berliner Yacht Club, Hamburger Segel Club, Hannoverscher Yacht Club