Bipolar – In der Klinik I

Seit gestern bin ich in der Klinik. Diese Klinik am Bodensee habe ich mir selbst ausgesucht, nachdem die Klinik in Dießen am Ammersee, nach immerhin acht Wochen, mitteilte, dass sie bipolare Störungen nicht behandeln können, und, ich mein Ersuchen nach Aufnahme bei den beiden infrage kommenden SCHÖN Kliniken zurückzog, nachdem ich erfuhr, dass man dort bipolare Störungen einseitig therapiert. Man versucht die Depression therapeutisch aufzuarbeiten, die Manie hingegen mittels Chemie zu behandeln.

Die Aufnahme fand in lockerer, freundlicher Atmosphäre statt, Ärzte und Therapeuten machen einen kompetenten Eindruck, das Stationspersonal, auf dem wohl die Hauptlast der Arbeit ruht, ist empathisch, dabei aber konsequent, wenn es um die Einhaltung vorgegebener Verhaltensmaßnahmen geht.

Man sagt, der erste Eindruck sei der Beste, gemeint ist damit wohl, der Objektivste:

  • das Zimmer: eine spartanische Klause, geräumig, aber lieblos wie eine Gefängniszelle;
    kein Bild an der Wand, grausam helle Beleuchtung an Wand und über dem Bett; eine Schreibtischlampe gibt es nicht;
    Zimmerschlüssel gibt es nicht, die Zimmer werden nur versperrt, wenn man über das Wochenende die Klinik verlässt;
    WOHLFÜHLFAKTOR = NULL
  • die Aufenthaltsräume: hell, freundlich, mit allem ausgestattet, was man so braucht
    WOHLFÜHLFAKTOR = sie werden stark frequentiert, was wohl auf eine gute Atmosphäre zurückzuführen ist;
  • Garten: naturbelassen, Gartenmöbel alt, verdreckt, wenig einladend

  • Verpflegung: Frühstück und Abendessen werden gemeinsam im stationseigenen Speisesaal eingenommen, zum Mittagessen geht man in das Casino;
    als Neuankömmling durfte ich mein Mittagessen im Speisesaal einnehmen, ab heute kann ich dann in der Kantine wählen, was ich haben möchte;

    das Abendessen spottete jeder Beschreibung; zwei Körbe mit Brot, Butter und Margarine, einen Teller undefinierbaren Fischs und eine Schüssel Quark, lieblos in der Küche bereitgestellt, ich habe mich auf eine Scheibe Brot mit Margarine beschränkt; wie ich beobachten konnte, hatten nahezu alle am Tisch eigene Lebensmittel zur Ergänzung der kargen Kost;
    das Ab- und Einräumen des schmutzigen Geschirrs in die Spülmaschine übernimmt der Patient selbst, um die Säuberung der Tische, das Ausräumen der fertigen Spülmaschine´, Neubeladung kümmert sich der „freiwillige“ Küchendienst;

    davon abgesehen, dass ein optisch hübsch angerichtetes „Buffet“ mit ausreichendem Speiseangebot ein Highlight für jemanden darstellen kann, der sich über den Tag durch anstrengende Therapien quält, war das, was dem Patienten angeboten wurde, einfach nur eine Frechheit;
  • Therapie: dazu kann ich noch nichts sagen;
  • Yoga: ich dachte, Sinn und Zweck bestünde darin, zur Ruhe zu kommen; das Erlebte glich mehr einer erweiterten Muskelreflektion nach Jacobsen; da es meine erste Yoga Stunde überhaupt war, möchte ich das aber nicht negativ bewerten, vielleiht stellt sich die seelische Entspannung noch ein;

Fazit: ich kann mir momentan nicht vorstellen, 8 Wochen hier zu bleiben;

04. Mai 2023 – 03:11 Uhr